Geschichte

Die Baracke – Was ist das?

Der Flachbau mit besonderem Charme steht heute friedlich hinter dem Institut für Politikwissenschaft. Doch das war nicht immer so. Die „Baracke“ blickt auf eine lange und turbulente Geschichte zurück. Seit über zehn Jahren ist sie nicht nur Arbeitsraum der Fachschaften Soziologie und Politikwissenschaft, sondern auch Ort einer studentisch-alternativen Kulturszene, die weit über Münsters Grenzen hinaus bekannt ist. Neben den Fachschaftssitzungen und Präsenzdiensten finden hier regelmäßig Konzerte unterschiedlichster Musikrichtungen statt, es gibt Parties, Poetryslams und vieles mehr. Doch blicken wir zurück…

Eine kurze Geschichte der Baracke

Alles begann 1997. Zu dieser Zeit befand sich in der Scharnhorststraße 106,
in dem Raum, wo jetzt das Service- und Informationscenter (SIC!) ist, das
FaRat-(Fachschafts-Rat)Café. Tagsüber wurden hier Studierende von den
Fachschaftsräten Soziologie, Primarstufe und der Fachschaftsinitiative der
Wirtschaftspolitik beraten, abends informierte der Infoladen Bankrott mit
der wöchentlichen Veranstaltungsreihe im Semester. Die Suche nach Ersatzräumen begann mit der geplanten Eröffnung der Zweigbibliothek Sozialwissenschaften – angeboten wurde ein Umzug in die „Baracke“.

Diese abschätzig anmutende Benennung wurde das erste Mal in einem offiziellen Schreiben der Universität verwendet und die damaligen NutzerInnen wehrten sich gegen den Umzug in den schmucklosen Flachbau. Nach harten Verhandlungen einigte man sich 1997 darauf, das Gebäude – welches ehemals ein Abstellraum für Geräte der Hausmeister war – zu beziehen. Damals war die Baracke bereits in einem schlechten Zustand, obschon die Universität sie noch einmal hatte renovieren lassen. In den folgenden Monaten waren die ansässigen Fachschaften und viele HelferInnen mit dem Umzug und der Gestaltung der Räumlichkeiten beschäftigt.

baracke2Bald fanden erste Konzerte statt und in den nächsten zwei Jahren häuften sich die Anfragen verschiedener Gruppen, um die Baracke für kulturelle und politische Veranstaltungen zu nutzen. Schließlich wurde ein Plenum ins Leben gerufen, welches die Koordination, Verwaltung und Instandhaltung der Baracke regeln sollte. Dieses grundsätzlich offene Plenum rekrutierte sich aus unterschiedlichsten Fraktionen wie dem Infoladen Bankrott, Konzertgruppen und den Fachschaften als auch engagierten Einzelpersonen.

Mit dem Plenum wurde eine basisdemokratische Institution geschaffen, die
einen in Münster einzigartigen Freiraum eröffnete. Zunächst gründeten
sich Gruppen wie die Filmgruppe Wohnzimmerkino oder die „Volxküche“,
später wurde auch der musikalische Horizont erweitert und im Laufe der
Jahre wuchs das Angebot, welches auch Leuten mit kleinem Geldbeutel kulturelle Partizipation ermöglichte.

Kampf um den Erhalt

Im August 2002 schien diese kulturelle Arbeit ein jähes Ende zu nehmen:
Das Baudezernat der Universität forderte die Fachschaften Soziologie und
Politikwissenschaft auf, die Baracke umgehend zu räumen. Nachdem das
Barackenplenum die Kündigung nicht akzeptiert hatte, ließ die Universität
Strom und Wasser abstellen und schweißte sogar die Notausgangstür zu.

C:UsersChristianDropboxFachschaftO-WocheFeuer und Flamme?1Im September entschied sich das Plenum, die Baracke zu besetzen und erregte durch die Veranstaltungswochen „Baracke im Herbst“ großes Aufsehen. Nach zähen Auseinandersetzungen akzeptierte das Rektorat der Universität die Fachschaften und das Barackenplenum als Gesprächspartner und lud diese sowie den AStA zu einem Gespräch ein. Schließlich gab das Rektorat dem Druck der Studierenden nach und überließ die Baracke widerwillig den dort ansässigen Gruppen auf unbestimmte Zeit.
Der lediglich aufgeschobene Konflikt sollte zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufflammen.

 

„Auf die Barackaden!“

Ein zentraler Bestandteil des Plenums, die sogenannte „Ladengruppe“, gab
im Dezember 2007 ihre Auflösung bekannt. Das Abtreten der Ladengruppe
brachte das Thema „Baracke“ wieder auf die Agenda des Rektorats; in der
Lokalpresse konnte man plötzlich von Abrissplänen lesen. Die Fachschaften,
welche zu ihrer Verwunderung aus der Zeitung vom geplanten Abriss ihrer
Fachschaftsräume erfahren mussten, suchten das Gespräch mit dem zuständigen Baudezernenten und der neuen Rektorin.

Zunächst schien alles so, als ob die Rettung der Baracke ein weiteres Mal in greifbarer Nähe sei. Doch am 9. April 2008 bekamen die Fachschaften unerwartet Post vom Rektorat: Die Baracke sei „umgehend, jedoch spätestens zum 21.04.2008“ zu räumen, die Miete von 1046 Euro monatlich sei zu hoch und der bauliche Zustand inakzeptabel. Was dann begann, war ein kräftezehrender und nervenaufreibender Kampf um den Erhalt der Baracke, der sich über Monate hinzog. Die Baracke zu verlassen und zum Abriss freizugeben stand für die Fachschaften nicht zur Debatte.

Unter dem Motto „Auf die Barackaden! – Wir räumen nicht, was uns gehört“
wurden Flyer gedruckt, Pressemitteilungen herausgegeben, Unterschriften
gesammelt und für den Abend des Räumungstermins ein Kulturprogramm
auf die Beine gestellt. Viele lokale Bands und politische Gruppen erklärten
ihre Solidarität und auch der AStA bot seine Unterstützung an.

Tatsächlich befand sich die Baracke seit langem in marodem Zustand; die jahrelange Vernachlässigung seitens der Universität war nicht spurlos an dem Behelfsbau vorübergegangen. Die plötzliche Sorge des Rektorats um die Verkehrssicherheit des Kulturbetriebs sorgte angesichts dieser Unterlassung zunächst für allgemeine Erheiterung.

Hinter der fadenscheinigen Argumentation vermuteten die Fachschaften zweifelhafte Motive des Rektorats: Die Baracke war schon lange ein Politikum, ein „Schandfleck“ hinter dem 2005/2006 renovierten Institut für Politikwissenschaft, und nach Ansicht einiger AmtsträgerInnen ein Hort linksalternativen „Wildwuchses“, dessen man sich schnellstmöglich entledigen wollte.

Kulturelles Zentrum der Studierendenschaft

Die intensive Pressearbeit und Vernetzung zeitigten schließlich Wirkung:
statt einer Räumung wurden weitere Gespräche anbe raumt. Doch zur großen
Verwunder ung flatterte schon bald die nächste Räumungsaufforderung
ins Haus, diesmal für den 20. 6. 2008.

Ein daraufhin von den Fachschaften angebotener Termin verstrich ohne Reaktion. So wurden neue Presse mitteilungen geschrieben, Interviews gegeben und Protest organisiert. Dank der Unterstützung und Vermittlung des AStA kam es schließlich doch zum entscheidenden Gespräch mit der Rektorin. In dem Gespräch wurde der Forderung der Rektorin entsprochen, der AStA als offizielle Vertretung aller Studierenden solle perspektivisch eine zentrale Rolle in der Verwaltung der Baracke übernehmen. Seitdem
wird die Nutzung der Baracke durch die Fachschaften Soziologie und Politikwissenschaft
in Absprache mit dem AStA koordiniert.

Das Rektorat sicherte seinerseits zu, die Möglichkeiten einer Sanierung
zu prüfen. Gegebenenfalls werde an selbiger Stelle ein Neubau gleicher
Dimension errichtet, welcher der Studierendenschaft als kulturelles Zentrum
zur Nutzung überlassen werde. Die Ergebnisse dieses Gesprächs wurden
in einer gemeinsamen Pressemitteilung festgehalten.
Nachdem eine Konkretisierung der Modernisierungspläne über Monate
ausblieb, überraschte das Rektorat im September 2009 durch die Anmahnung
eines „Nutzungskonzepts“ sowie einer „Überlassungsvereinbarung“,
welche von der Studierendenschaft vorzulegen seien. Erste Entwürfe wurden
vom Rektorat ohne nähere Erläuterung und konstruktive Änderungsvorschläge
abgelehnt. Daraufhin wurden von den Fachschaften in Absprache
mit dem AStA-Vorsitz ausführlichere Papiere ausgearbeitet und dem
Rektorat zugestellt.

In der Zwischenzeit gab es einen neuen AStA, sowie viele Entwürfe und
Konzepte. Das Rektorat hatte dem Neubau der Baracke zugestimmt, das
Baudezernat bekam den Auftrag zusammen mit den Fachschaften eine neues Kulturzentrum zu planen – und alles wurde in einer Überlassungsvereinbarung zwischen Rektorat und verfasster Studierendenschaft juristisch wasserdicht gemacht. Die Bauarbeiten begannen schließlich im Frühjahr 2011 mit dem Abriss der alten Baracke.

Der Stand der Dinge

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Seit dem Wintersemester 2011/2012 steht hinter dem Institut die neue Baracke. Sie ist heute wieder ein kultureller und politischer Freiraum und soll damit deren Abbau entgegenwirken, sowie Gleichberechtigung und Vielfalt fördern. Was nach einer hochgestochenen Zielsetzung klingt, äußert sich in einer großen Spanne an verschiedenen Gruppen, die die Baracke nutzen, sowie einer Vielzahl an Veranstaltungen: Theaterproben, regelmäßige, offene Termine, Konzerte, Partys, Filmvorführungen, Seminare und Vorträge. Die Baracke dient den VeranstalterInnen als offene Struktur zur Verwirklichung ihres Anliegens, den KünstlerInnen als Möglichkeit des Ausdrucks und stellt für die NutzerInnen eine Alternative zur durch-kommerzialisierten Kulturmaschinerie dar.